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Psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen

13. November 2024, Dr. phil. Lorena Eisenegger

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Für einmal nicht Coronacoronacorona, Ängste, Sorgen und Einschränkungen sondern einige Überlegungen zu Glück.

Aus psychotherapeutischer Sicht ist wichtig festzustellen, dass psychische Gesundheit nicht nur Abwesenheit von Leiden ist, sondern sich durch z.B. Wohlbefinden, Selbstakzeptanz, Beziehungsfähigkeit und Sinnfindung auszeichnet. Daher ist es naheliegend, sich dem Thema ‚Glück‘ zuzuwenden.

Bei der Beschäftigung mit dem Glücksbegriff zeigt sich schnell, wie komplex das Thema ist. Sigmund Freud definierte Glück vorwiegend als Lusterfahrung, eine hedonistische Sichtweise des Glücks, wie sie seit der Aufklärung entwickelt wurde. In der modernen Psychologie spricht man oft vom ‚subjektiven Wohlbefinden‘, einer subjektiven Erfahrung eines angenehmen Zustands. Allerdings gibt es sehr wohl Erfahrungen der Lust und des Wohlbefindens, die u.U. (kurzfristig) sehr angenehm sein können, aber auch negative Konsequenzen beinhalten (z.B. Alkohol, Drogen) und als ‚Ersatzglück‘ oder ‚Scheinglück‘ bezeichnet werden können.

Weiter gefasst kann Glück verstanden werden als eine umfassende Lebenszufriedenheit, einer Versöhnung von Wunsch und Wirklichkeit und der Einschätzung eines guten und gelungenen Lebens, emotional erlebt als Freude, Gefühlen von Erfüllung und Erlösung.

Faktoren, welche die Lebenszufriedenheit erhöhen, können als umweltbezogene, soziale und intrapsychische Ressourcen eines Menschen bezeichnet werden. Psychische Störungen lassen sich somit zu einem grossen Teil als Mangel an Ressourcen oder einer Unmöglichkeit des Zugangs zu Ressourcen verstehen. In einer Psychotherapie geht es daher oft darum, die inneren Stärken zu fördern, die den Erwerb äusserer Ressourcen (z.B. Partnerschaft, Beruf, Einkommen, Freizeitaktivitäten) erleichtern. Dabei stehen innere und äussere Ressourcen in einem wechselseitigen Verstärkungsprozess.

Der Erwerb von intrapsychischen Ressourcen (z.B. hohes und stabiles Selbstwertgefühl, Lebendigkeit, Mut, Beziehungsfähigkeit, Hoffnung, Zuversicht) ist zwar eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Voraussetzung für ein glückliches und gelungenes Leben. Die Frage ist nämlich nicht nur, was an inneren Stärken aufgebaut werden soll, sondern auch wie innere Stärken aufgebaut werden können (Prozess des Glückserlebens).

Es gibt viele Hinweise, dass v.a das Erleben von positiven Emotionen, insbesondere das wiederholte Erleben von Freude zur Entwicklung innerer Stärke führt oder zumindest diese Entwicklung begleitet. Freudvolle Erfahrungen können selbstverständlich nicht nur im Rahmen von Psychotherapie erlebt und gefördert werden, es gibt viele Hinweise auf freudvolle Erfahrungen im Sinne von ‚psychischen Heilungsprozessen‘ ausserhalb von Psychotherapie (Selbsthilfelektüre, Erlebnisse in der Natur und/oder in wichtigen Beziehungen, kreatives Schreiben oder spirituelle Erfahrungen, um ein paar Beispiele zu nennen).

Innerhalb einer Psychotherapie können Beispiele für solche positive Erfahrungen sein:

  • Sich selber – mit Stärken und Schwächen – akzeptieren und annehmen können. In der Psychotherapie kann dies gefördert werden durch das Erleben einer wohlwollenden, unterstützenden Therapiebeziehung, durch Rollenspiele und/oder durch Arbeit mit verschiedenen Selbstanteilen.
  • Andere Menschen akzeptieren, ohne das eigene Wohlergehen von ihnen abhängig zu machen. Psychotherapie: z.B. Förderung der Einfühlbarkeit, Perspektivenübernahme, Auseinandersetzung mit Grenzen (Systemgrenzen, persönliche Grenzen)
  • Bisherige Grenzen überwinden und Selbstvertrauen gewinnen durch mutiges Verhalten. Psychotherapie: z.B. Selbstsicherheitstraining, Training sozialer Kompetenzen, ‚Reizkonfrontation‘, Förderung des Emotionsausdrucks, Rollenspiele.
  • Zwischenmenschliche Nähe und Vertrauen: ‚geben‘ und ‚nehmen‘ können. Psychotherapie: z.B. Erfahrung einer verlässlichen und vertrauensvollen Therapiebeziehung; mehr Bewusstsein für eigene Beziehungserfahrungen, Beziehungsmuster und eigene Bedürfnisse in Beziehungen; Paar-, Familien-, Gruppentherapie.
  • Körperliche Lebendigkeit spüren in der Gegenwart, bei geliebten Tätigkeiten. Psychotherapie: z.B. Aufbau positiver Aktivitäten, Entspannungsübungen, Meditation, Fitness und Sport; Körperübungen.
  • Schöpferische, kreative Aktivitäten entdecken und erleben. Psychotherapie: z.B. Interventionen zur (Wieder-) Entdeckung von verborgenen Talenten, Kunsttherapie, Tanz, Musik.

Einige dieser Herangehensweisen können von Anfang an vergnüglich sein, andere erfordern einen ‚Sprung über den eigenen Schatten‘. Manchmal ist es schwierig, kurzfristig wirksame Strategien aufzugeben!

Um auf den Beginn des Artikels zurückzukommen: in einer Psychotherapie geht es oft (direkt oder indirekt) um mehr als darum, psychisches Leiden zu reduzieren, sondern auch darum, jemanden zu unterstützen, mehr Wohlbefinden, Selbstakzeptanz, Beziehungsfähigkeit, Sinn, d.h. mehr Freude und Glück erleben zu können.

Quelle:
Dick, A. (2017). Durch Psychotherapie Freude, Vergnügen und Glück fördern. In: R. Frank (2017, 3. Auflage). Therapieziel Wohlbefinden. Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie. Berlin: Springer (S. 45-55)

Lic. phil. Barbara Heiniger Haldimann