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Psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen

13. November 2024, Dr. phil. Lorena Eisenegger

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Die Persönlichkeit der „Generation Selfie“

Sich selbst fotografierende, mit ihrem Mobiltelefon verwachsene Personen sind Teil unseres alltäglichen, städtischen Bilds. Der Selfie-Wahn bzw. das starke Bedürfnis zur Selbstdarstellung ist allgegenwärtig. Doch was bedeutet diese Selfie-Flut eigentlich? Was unterscheidet Personen, die viel Zeit mit Selfies verbringen von Personen, die es nicht tun? Selbstportraits werden oft als Ausdruck einer narzisstischen Gesellschaft gesehen. In laienpsychologischen Berichten finden sich Vermutung über pathologische Persönlichkeitsausprägungen bei Menschen, die sich viel mit Selfies beschäftigen. Sind Menschen, die häufig Selfies posten und eine bedeutsame Zeit für die Bearbeitung von Selfies investieren tatsächlich narzisstische Persönlichkeiten? Bisher weiss die psychologische und soziologische Forschung wenig über Hintergründe, Funktion oder psychologische Korrelate von Selfieposting-Verhalten und Persönlichkeit. Gesichert ist jedoch, dass Selfie-Verhalten nicht allgemeingültig als Zeichen einer narzisstischen Persönlichkeit oder einer pathologischen Selbstverliebtheit gewertet werden kann.

Eine aktuelle kanadische Studie befasste sich mit den korrelativen Zusammenhängen zwischen psychologischen Faktoren, Charaktereigenschaften und dem Körperbild bei Personen, die häufig Selfies auf sozialen Medien veröffentlichen. An der Studie nahmen 235 Personen zwischen 18 und 60 Jahren teil. Erfasst wurden verschiedene psychologische Faktoren und Persönlichkeitseigenschaften sowie selbst berichtetes Selfie-Verhalten (Häufigkeit von Selfieposting; Zeit, die mit der Bearbeitung von Selfies verbracht wird; Anzahl von Selfies, Dauer der Selfieauswahl usw.).

Die Ergebnisse zeigen signifikante, also überzufällig hohe, Korrelationen zwischen Extraversion und Selfie-Verhalten. Personen, die sich als extrovertiert beschreiben, machen und posten mehr Selfies pro Monat als introvertierte Personen. Neurotizismus (emotionale Labilität) und Eitelkeit hängen positiv mit der Zeit, die Personen für das Bearbeiten von Selfies aufwenden, zusammen. Gruppenvergleiche ergaben, dass Menschen, die viel Zeit mit der Bearbeitung von Selfies verbringen, mehr soziale Ängste hinsichtlich ihrer körperlichen Erscheinung, mehr Schamgefühle bezüglich des eigenen Körpers und ein negativeres Körperbild wahrnehmen als Personen, die keine Selfies posten oder wenig Zeit mit der Bearbeitung von Selfies verbringen. Durch das intensive Bearbeiten von Selfies scheinen Betroffene zu versuchen, befürchtete negative Bewertungen zu reduzieren und ihre sozialen Ängste hinsichtlich negativem Feedback einzudämmen. Personen, die keine Selfies posten, sorgen sich gemäss dieser Studie weniger über ihre körperliche Erscheinung und scheinen weniger eitel zu sein als regelmässige Selfieknipser.

Auch wenn anhand von korrelativen Zusammenhängen keine eindeutigen Rückschlüsse auf Kausalbeziehungen möglich sind, ergeben sich interessante Hinweise, die zukünftige Studien hoffentlich weiter erforschen werden. Wir sind gespannt…

 

Literatur:

Gilliland, E. et al. (2018). Characterological correlates of selfie taking behavior. Psychology, 2018, 9, 1530-1545.

Dr. phil. Dipl. Psych. Melanie Braun