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GYNÄKOPSYCHOLOGIE IN DER AMBULANTEN PSYCHOTHERAPIE PRAXIS: Häufige Störungsbilder & hilfreiche Interventionen

26. September 2024, Dr. rer. nat. Misa Yamanaka

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In der psychotherapeutischen Arbeit mit Eltern – insbesondere mit Müttern – tritt ein Phänomen gehäuft auf: Der Mental Load.

«Mental Load … bezeichnet im deutschen Sprachraum vorrangig die Belastung, die durch das Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht, die gemeinhin als nicht der Rede wert erachtet werden und somit weitgehend unsichtbar sind. (…) Über die Summe der praktischen Aufgaben hinaus beschreibt Mental Load die Last der alltäglichen Verantwortung für Haushalt und Familie, die Beziehungspflege sowie das Auffangen persönlicher Bedürfnisse und Befindlichkeiten» (Wikipedia).

Bereits aus dieser Definition wird klar wie umfassend das Phänomen des Mental Loads ist. Zusammengefasst beinhaltet dieser drei zentrale Aspekte:

  1. Alle sichtbaren und unsichtbaren Aufgaben, die (in einer Familie) erledigt werden müssen
  2. Der Umstand, dass alles oder der Hauptteil auf einer Person lastet
  3. In der Regel wenig Wertschätzung für diese Aufgaben da sind.

Mental Load ist nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden. Es ist jedoch so, dass heute immer noch vor allem Frauen vom Mental Load betroffen sind. Dies lässt sich weitgehend auf die traditionellen Rollenmodelle zurückführen (hierfür spricht auch, dass in homosexuellen Beziehungen Aufgaben im Familiensystem ausgewogener aufgeteilt werden und es weniger zu diesem Ungleichgewicht kommt).

Immer wieder begegnen mir in der psychotherapeutischen Arbeit Mütter, die sich ausgebrannt und erschöpft fühlen und selber gar kein Verständnis dafür haben, weshalb dem so ist. Vielmehr machen Sie sich noch Vorwürfe, wenn Sie beispielsweise nicht genügend geduldig mit Ihren Kindern umgehen oder gewisse Aufgaben nicht geschafft haben zu erledigen.

Um das Problem des Mental Loads nochmals genauer verdeutlichen zu können, stellen Sie sich bitte folgende Aufgabe vor: Organisieren Sie eine Schulwoche Ihrer beider Kinder.

Vielleicht denken Sie im ersten Moment «na ja, wenn die Kinder in der Schule und im Kindergarten sind, dann gibt es ja nicht so viel zu tun». Die Antwort könnte aber auch lauten:

  • Wann muss welches Kind aufstehen und am Morgen loslaufen?
  • Wann hat welches Kind welches Programm in der Schule (Achtung: Bibliothek, Schwimmunterricht und Rhythmik alternierend nur alle 2 Wochen, Sportunterricht und unregelmässige Waldtage)
  • Achtung Waldtage: Kind wettergerecht anziehen!
  • Aha.. was für Wetter haben wir am Waldtag? Bitte nachschauen! Aber flexibel bleiben, falls der Wetterbericht nicht stimmt.
  • Allenfalls noch andere Kleidung für im Hort mitgeben.
  • Was muss genau für Sport und Schwimmunterricht eingepackt werden? Schwimmkappe dieses Mal nicht vergessen!
  • Stehen Lernzielkontrollen an?
  • Sind Hausaufgaben gemacht?
  • Und eingepackt?
  • Wochenheft von mir unterschrieben?
  • Habe ich daran gedacht Znüni nach zu kaufen? (Nicht vergessen: Wochenplan fürs Essen noch erstellen)

Diese Liste könnte noch lange weitergeführt werden. Und hierbei handelt es sich nur um EINE (unsichtbare) Aufgabe im Elternalltag, welche unzählige weitere To Dos im Elternalltag mit sich bringt. All die anspruchsvollen Aspekte wie beispielsweise Kinder emotional zu begleiten, den Haushalt zu führen, allenfalls selber noch zu arbeiten etc. sind darin noch gar nicht enthalten!

Cammarata, P. (2020). Raus aus der Mental Load Falle. S. 84.

Betroffene beschreiben oft, dass ihr Kopf explodiert. Und tatsächlich kann man sich beim Mental Load den Menschen wie einen Computer vorstellen, dessen Arbeitsspeicher so überfüllt ist, dass das ganze System zusammenbricht (vgl. Daniel Hirsch).

Mental Load ist kein individuelles sondern ein gesellschaftliches Problem. Das Müttergenesungswerk gibt an, dass in den letzten 10 Jahren die Anzahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom bis Burnout um 37% gestiegen ist. Und gerade weil das Verständnis bei Betroffenen und in der Gesellschaft nicht ausgeprägt ist, wird die Problematik oftmals von Aussen nicht oder zu spät erkannt.

Es gibt Wege aus dieser Mental Load Falle (weiterer Blogbeitrag folgt, siehe auch Literaturhinweis).

Ehrlicherweise gilt es hier anzumerken, dass es sich um einen anspruchsvollen Weg handelt, der viele Veränderungen beinhaltet. Es benötigt eine Veränderung im gesamten Familiensystem. Auch für die Betroffenen selber ist dies sehr anspruchsvoll, denn es braucht ein Umdenken. Man muss sich von alten Glaubenssätzen und Vorstellungen lösen können, die unter Umständen schon von klein auf vorhanden sind.

In der Regel löst sich die Mental-Load Problematik nicht von selbst! Sollten Sie sich in der Elternrolle erschöpft und ausgebrannt fühlen und haben Sie das Gefühl, dass der Mental Load auch bei Ihnen eine Rolle spielt, dann kümmern Sie sich gut um sich. Fällt Ihnen dies schwer, dann holen Sie sich Unterstützung – auch wenn es schwer fällt! Sei es bei einer Freundin, Nachbarin oder auch im professionellen Rahmen. Gehen Sie das Thema wenn möglich aktiv an. Ein weiterer Blogbeitrag zum Umgang mit dem Mental Load wird folgen.

 

Quelle:

Cammarata, P. (2020). Raus aus der Mental Load Falle. Beltz Verlag: Weinheim Basel.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mental_Load

lic. phil. Nuša Sager-Sokolic