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Psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen

13. November 2024, Dr. phil. Lorena Eisenegger

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Burnout-Risiko bei Psychotherapeuten/innen

Fragen nach den beruflichen Belastungen von Psychotherapeuten/innen finden im deutschen Sprachraum vergleichsweise wenig Beachtung, obwohl einige Studien nahelegen, dass Psychotherapeuten/innen verschiedenen Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, welche die psychische Gesundheit massgeblich beeinflussen.
Burnout-Symptome bei Psychotherapeuten/innen sind hauptsächlich emotionale Erschöpfung (Energie- und Kraftlosigkeit, Überforderungserleben), Depersonalisation (geringe bis keine Empathie, Distanz, Abwertung von Patienten/innen) und verringerte Leistungsfähigkeit (subjektives Effektivitätserleben). Eine Meta-Analyse (Simionato & Simpson, 2018, zit, nach Rehan-Sommer und Kämmerer, 2019) lässt den Schluss zu, dass Burnout als häufigste Ursache der Berufsunfähigkeit von Psychotherapeuten/innen zu betrachten ist.

Obwohl Psychotherapeuten/innen in Befragungen eine sehr hohe Zufriedenheit mit ihrer beruflichen Arbeit angeben, ist es wichtig – v.a. im Sinn einer Burnout-Prophylaxe – sich genauer mit den Belastungsfaktoren dieser Tätigkeit auseinanderzusetzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, bzw. sich auch damit auseinanderzusetzen, was einen offenen Umgang mit diesen Belastungsfaktoren in diesem Beruf schwierig macht.
In allen Berufen treten Belastungsreaktionen auf, die Auslöser und die Folgen aber variieren und erfordern daher eine auf die jeweilige Berufstätigkeit zugeschnittene Analyse:
Als Belastungen des Psychotherapeutenberufes spielen sowohl Aspekte der therapeutischen Beziehung wie inhaltliche Aspekte eine grosse Rolle: Die therapeutische Arbeit stellt eine intensive Beziehung zwischen Therapeut/in und Patient/in dar, die Therapeutin ist als ganze Person involviert, die therapeutische Beziehung ist der wichtigste Wirkfaktor in Psychotherapien. Inhaltlich werden Psychotherapeuten/innen mit Schicksalen, viel Leid, schwerwiegender Symptomatik und Suizidalität konfrontiert. Patienten/innen bringen manchmal unrealistische ‚Heilserwartungen’ und – aufgrund von eigenen (negativen) Erfahrungen – schwieriges Interaktionsverhalten (z.B. aggressives oder manipulatives Verhalten) mit in die Therapie, was nicht spurlos an den Therapeuten/innen vorbei geht.
Umgekehrt können auch Probleme und Belastungen aus dem Privatleben (z.B. Krise in Partnerschaft, Krankheit und/oder Pflege von Angehörigen) oder Arbeitsbedingungen (z.B. hoher Arbeitsdruck, Zeitknappheit, Probleme in Teams) die therapeutische Tätigkeit beeinflussen und beeinträchtigen.

Auch das Erleben von Erfolgen, positiven Therapieverläufen kann – neben befriedigenden Erfahrungen – ‚Gefahren’ bergen, nämlich dann, wenn wichtige Bedürfnisse der Therapeuten/innen nicht im Privatleben, sondern in der therapeutischen Arbeit mit Patienten/innen befriedigt werden. Dies kann z.B. ein Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung sein, ein Bedürfnis nach Einfluss und Macht, ein Bedürfnis nach sozialen Kontakten oder die Befriedigung von Neugier, ‚Aufregung’ (aussergewöhnliche Patienten/innen die aussergewöhnliche Erlebnisse und Biografien haben).

Persönliche Prägungen, Überzeugungen und Copingstrategien der Therapeuten/innen können eine Anfälligkeit für Burnout begünstigen, gemäss Simionato & Simpson (2018, zit, nach Rehan-Sommer und Kämmerer, 2019) sind ‚unbarmherzige Standards’ und ‚Selbstaufopferung’ wichtige Risikofaktoren. Hohe Empathiefähigkeit, Leistungsfähigkeit, Bereitschaft, sich für andere zu engagieren, können daher sowohl als wichtige Ressource für die psychotherapeutische Arbeit wie auch als Risikofaktoren für Burnout betrachtet werden.
Hinzu kommt (auch das im Grunde genommen eine positive Entwicklung), dass immer neue Psychotherapiemethoden und immer differenzierte Diagnosverfahren entwickelt und evaluiert werden. Diese Entwicklungen zu verfolgen, up-to-date zu sein, den damit auch verbundenen Ansprüchen von Kollegen/innen, Arbeitgeber, Weiterbildungsinstitutionen und auch von Patienten/innen und Angehörigen gerecht zu werden, kann grossen Druck und damit verbunden Versagensängste und Selbstzweifel verursachen.
Zu offenbaren, dass auch Psychotherapeuten/innen Unterstützung brauchen, unter psychischen Problemen leiden können, nicht mehr weiter wissen, ist oft mit Hemmungen und Scham verbunden und macht es zusätzlich schwer, Warnzeichen ernstzunehmen und Schwierigkeiten mithilfe von externer Unterstützung anzugehen.

Fazit aller Autoren/innen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen ist: Selbstaufmerksamkeit und angemessene Selbstfürsorge während des gesamten beruflichen und privaten Lebens ist zentral für eine Burnout-Prophylaxe. Dies beinhaltet eine regelmässige Reflexion und kritische Überprüfung der aktuellen Situation und des eigenen Wohlbefindens; ein Bewusstsein dafür – mit Konsequenzen im Verhalten – dass wichtige Bedürfnisse im Privatleben befriedigt werden sollen, dass neben fachlichen Kompetenzen ‚Abgrenzungs- und Selbstunterstützungskompetenzen’ und Kenntnis von persönlichen vulnerablen Punkten und realistische berufliche und private Selbstansprüche zentrale Faktoren für eine Burnout-Prophylaxe sind. Dafür wurden in letzter Zeit auch Seminare und Trainings zur Unterstützung von Psychotherapeuten/innen entwickelt, die sich nicht allein mit diesem Thema auseinandersetzen möchten (z.B. durch S. Rehan-Sommer & A. Kämmerer, siehe Artikel unten).

Literatur:

Rehan-Sommer, S., Kämmerer, A. (2019). Prophylaxe von Belastungsreaktionen bei Psychotherapeutinnen: Risikofaktoren erkennen und Resilienz stärken. In: Psychotherapeutenjournal 2019, 4: 363-370

Lic. phil. Barbara Heiniger Haldimann