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Psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen

13. November 2024, Dr. phil. Lorena Eisenegger

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Zwangsgedanken mit aggressivem oder sexuellem Inhalt sind eine Unterform der Zwangsgedanken. Schätzungen gehen davon aus, dass 20 bis 30 Prozent der Betroffenen daran leiden.

Von Zwangsgedanken spricht man unter anderem, wenn die Inhalte dem Wesen und den Grundüberzeugungen des Betroffenen diametral gegenüberstehen. Die Betroffenen sind über diese Gedanken zutiefst erschrocken und zweifeln an sich selbst. So kann beispielsweise eine Mutter befürchten, dass sie ihrem Kind etwas antun oder ein junger Mann, dass er pädophil sein könnte. Diese Gedanken lösen bei den Betroffenen sofort eine starke Angst aus und die in ihren Augen gefährlichen Situationen werden vermieden. So versucht die zwangserkrankte Mutter z.B. nicht mehr alleine mit ihrem Kind zu sein und keine scharfen Messer mehr zu berühren, aus Angst, sie könnte ihrem Kind etwas antun. Der junge Mann vermeidet seinen Göttibub zu hüten aus Angst, ihn sexuell missbrauchen zu können.

Ein psychoanalytischer Ansatz, der die Zwangsgedanken als Ausdruck der dunklen Persönlichkeit des Patienten interpretiert und dem Patienten z.B. effektiv pädophile Neigungen zuschreibt, steigert die Verunsicherung und Verzweiflung der Betroffenen weiter und wird der Zwangserkrankung nicht gerecht.

Der verhaltenstherapeutische (Meta-)Kognitive Erklärungsansatz geht davon aus, dass die Bewertung des Gedankens als furchtbar und schlimm der Kern des Problems ist. Die Gedanken sagen nichts über die Motive und Handlungsabsichten des Patienten aus. In der Therapie wird mit den Zwangserkrankten erarbeitet, dass Gedanken keine Realität abbilden, sondern nur Gedanken sind. Es wird vermittelt den Zwangsgedanken eine nicht-wertende, akzeptierende Haltung entgegenzubringen, sich von ihnen abzuwenden und diese inhaltlich nicht weiter zu folgen.

Ein neuerer weiterer zentraler Ansatzpunk ist gemäss Hillebrand Exposition in-sensu. Dabei wird mit dem Patienten, das, was er im schlimmsten Fall befürchtet in Form einer Geschichte ausgearbeitet. Diese oft brutalen Geschichten sind nur Geschichten, auch wenn sie wie ein Kriminalroman zu lesen sein können. Danach wird dem Patienten die Geschichte vorgelesen, was zunächst mit einer hohen Angstintensität verbunden ist. Durch wiederholtes Vorlesen kommt es zu einer Reduktion der Angststärke und schliesslich kann der Patient die Geschichte ohne grosse emotionale Beteiligung hören und erkennt, dass er das gar nicht ist.

Die Exposition in-vivo bezieht sich bei der Behandlung aggressiver und sexueller Zwangsgedanken in der Regel auf die schrittweise Reduktion des Vermeidungsverhaltens. Der Patient nähert sich einer kritischen Situation, in der er befürchtet den aggressiven oder sexuellen Übergriff zu begehen. Die zwangserkrankte Mutter lernt schrittweise wieder mit ihrem Kind zusammen sein und Messer benutzen zu können und erlebt, dass das von ihr Befürchtete nicht eintritt. Der Pädophile junge Mann lernt wieder mit seinem Göttibub Unternehmungen zu planen und erlebt, dass die Zwangsgedanken abnehmen und er wieder wie früher mit ihm zusammen spielen kann. Die Angst vor den intrusiven Gedanken ist dem Verständnis, für den problematischen Bewertungsprozess der Zwangsgedanken gewichen und dem Wissen, dass es Zwangsgedanken sind und nicht die Realität.

Quelle:

Hillebrand, Thomas. Exposition bei Zwangsgedanken. Jahrestagung der schweizerischen Zwangsgesellschaft (SGZ).

Hillebrand, T. Aggressive und sexuelle Zwangsgedanken – Ausdruck unbewusster Wünsche? Verhaltenstherapie & Verhaltensmedizin 2019, 40(3), 285-296.

 

                                         Lic. phil. Uta Liechti Braune