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Psychotherapeutische Behandlung von Zwangsstörungen

13. November 2024, Dr. phil. Lorena Eisenegger

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Isolation und Home-Office: Sein eigener Therapeut werden

Alles steht im Zeichen der Corona-Pandemie und die Welt steht Kopf. Es macht sich weltweit eine grosse Ungewissheit breit und auch die vielen Fake-News tun unserem psychologischen Grundbedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle leider überhaupt nicht gut. Wir tun gut darin, die Nachrichten weise und bedacht zu konsumieren.

Die Unkontrollierbarkeit der Dinge kommt nun in einem extremen Ausmass zum Vorschein, und dies führt zu einer grossen Verunsicherung und Anspannung. Jedes Land und jede Person reagiert darauf auf seine eigene Art und Weise und doch sitzen wir alle im gleichen Boot. Noch selten wurde uns das gemeinsame Menschsein und gleichzeitig die gegenseitige Abhängigkeit voneinander so deutlich vor Augen geführt. Dies schafft einerseits Verbundenheit und Solidarität, andererseits auch Ohnmacht, Angst, Wut und Gier.

In dieser belastenden Zeit scheint es besonders wichtig, gut für sich und seine Mitmenschen zu sorgen. Denn wie so oft unter erhöhter Belastung oder vermehrtem Stress, kommen auch all unsere Probleme oder Verletzlichkeiten viel deutlicher an die Oberfläche. Probleme, die unter normalen Umständen gut kompensiert werden konnten, können plötzlich spürbar(er) werden.

Was bleibt uns anderes übrig, als die unveränderbaren Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, und dort, wo wir einen Beitrag leisten können, verantwortungsvoll und konsequent die vorgeschlagenen Massnahmen zu befolgen? Und dabei das Beste aus der Situation machen. Darwin sagte bereits:

„Es sind nicht die Stärksten, die überleben, sondern diejenigen, die sich am Besten an die wechselnden Bedingungen anpassen können!“

Es ist wirklich erstaunlich, wie anpassungsfähig wir Menschen sind, und, wenn man den Berichten glauben darf, so auch die Natur und die Tierwelt, die sich gerade rapide zu erholen scheinen.

Die grosse aktuelle Ungewissheit und Unsicherheit lässt sich leider nicht vermeiden und auch nicht „wegdrängen“, aber wir können sie mit liebevoller Aufmerksamkeit und Akzeptanz halten und versuchen, sie zu erlauben ohne in Panik zu geraten, sodass wir so gut und so gesund wie möglich durch diese Zeit hindurch kommen.

Dabei können Sie zu Ihrer eigenen Therapeutin / Ihrem eigenen Therapeuten werden und sich wie ein Tisch, der sich auf vier stabile Beine stützt, in den folgenden vier Bereichen („Tischbeinen“) unterstützen:

1.) Mental:

Achten Sie auf Ihre Gedanken, es sind meist unsere Gedanken, die Angst oder Belastung auslösen. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass 80% unserer täglichen Gedanken negativ und 95% davon jeden Tag dieselben sind. Gerade wenn wir jetzt Home-Office machen und / oder uns auch sonst stark isolieren, kann es sein, dass wir unsere Gedanken plötzlich stärker hören, da wir weniger abgelenkt sind. Wir müssen unseren Gedanken zum Glück nicht alles glauben.

Beispiele:

    • „Ich bin Zuhause eingesperrt!“ –> „Ich bin Zuhause sicher und mache es mir gemütlich, umsorge mich gut!“
    • „Ich werde erkranken!“ –> „Ich distanziere mich sozial, wasche meine Hände, ernähre mich gesund, und dies reduziert die Wahrscheinlichkeit drastisch, dass ich erkranke.“
    • „Alles geht abwärts und alles macht zu, ich bekomme Panik!“ –> „Die wichtigsten Zentren bleiben offen: medizinische Einrichtungen, Apotheken, Lebensmittelläden.“
    • „Es gibt zu viel Ungewissheit und Anspannung!“ –> „Ich kann die Situation um die Pandemie nicht kontrollieren, aber ich kann viel dafür tun und mich so verhalten, dass meine vier „Tischbeine“ stabil bleiben.“

Und wenn Sie ein Mensch und kein Roboter sind und mit selbstkritischen Gedanken konfrontiert sind, so gibt es eine einfache Regel: „Wenn es unfreundlich ist, ist es nicht wahr – denn die Wahrheit ist liebevoll!“ Glauben Sie also Ihrem inneren Kritiker nicht alles.

2.) Emotional:

Um uns besser zu fühlen, müssen wir besser werden im Fühlen. Wir denken oft, dass es negative und positive Gefühle gibt und wir nur angenehme Gefühle erleben sollten. Aber das ist ein Irrglaube. Die Wahrheit ist, dass wir alle dafür gemacht sind, jeden Tag die ganze Palette an Gefühlen zu erleben, die angenehmen, die neutralen und die unangenehmen Erfahrungen. Je mehr wir uns gegen unsere Gefühle wehren, desto anstrengender und belastender wird es werden. Je mehr wir über Gefühle nachdenken oder darüber grübeln, desto mehr Öl giessen wir ins Feuer. Gefühle möchten identifiziert und gefühlt werden: Wo im Körper spüren Sie z.B. Anspannung oder Angst? Und was passiert, wenn Sie mit Ihrer Wahrnehmung bei der Körperempfindung bleiben, anstatt darüber nachzudenken? Vielleicht mögen Sie sogar in die Körperstelle rein atmen oder eine Hand drauflegen, den sanften Druck und die Wärme spüren? Fragen Sie sich dabei immer wieder:

–> „Was brauche ich jetzt? Was würde mir jetzt gut tun?“

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass wir nur schon durch diese Frage und auch durch unterstützende Berührungen uns aus dem Bedrohungssystem (Stress) bringen können und unser Fürsorgesystem aktivieren (Ausschüttung von Oxytocin, das „Kuschel- und Vertrauenshormon“).

3.) Körperlich:

Körper und Psyche hängen dicht zusammen. Sie können für Ihr körperliches Wohl sorgen, indem Sie Ihrem Körper ausreichend Erholung, Entspannung, Bewegung, Dehnübungen, frische Luft, Sonnenstrahlen, regelmässige köstliche und nährstoffreiche Ernährung und Flüssigkeit, ausreichend Schlaf, wohltuende Pflege und Hygiene gönnen. Auch Lachen und Humor kann Spannungen im Körper reduzieren.

Unsere Körper lieben übrigens Wertschätzung, für all das, was unsere Körper für uns die ganze Zeit leisten, um uns am Leben zu halten, für ihre Widerstandsfähigkeit und für all das, was gut funktioniert, auch wenn Krankheiten vorhanden sein sollten.

4.) Spirituell:

Was nährt Sie geistig und was ist Balsam für Ihre Seele? Wann fühlen Sie sich im Einklang mit sich und der Welt? Mögen Sie in der Natur sein, spazieren, Gedichte oder Literatur geniessen oder selbst schreiben, Musik, Tanz, sich kreativ beschäftigen, anderen helfen, etwas Neues lernen, meditieren, mit Ihren Liebsten oder mit Tieren Zeit verbringen oder sich inspirierende Podcasts oder Sendungen zu Gemüte führen?

Wenn Sie sich gerade sehr belastet fühlen, dann denken Sie daran, Sie sind nicht alleine und zögern Sie nicht, sich Unterstützung zu holen bei Angehörigen, Freunden, offiziellen Stellen oder einer Therapeutin / einem Therapeuten. Dies ist kein Zeichen von Schwäche sondern Stärke, Sie müssen dies nicht alleine aussitzen. Auch unser Team vom Klaus-Grawe-Institut ist für Sie da, teilweise noch vor Ort, und teilweise remote über Video-Calls und Telefon.

Falls Sie konkrete Übungen im Umgang mit belastenden Gefühlen ausprobieren wollen, finden Sie unten einen Link zu angeleiteten Übungen von Dr. Christine Brähler (v. a. Übung „Weicher Werden – Umsorgen – Zulassen“ hilft bei belastenden Emotionen). Wenn Sie mehr zum Thema Selbst-Fürsorge und Selbst-Mitgefühl oder Achtsamkeit wissen möchten, sind Sie herzlich eingeladen, an einem meiner nächsten Gruppen-Kurse teilzunehmen:

  • Der nächste MSC 8-Wochen-Kurs zu Mindful-Self-Compassion (Achtsames Selbstmitgefühl) startet voraussichtlich (Planung erfolgte im Januar vor COVID-19 Massnahmen!) am 20. Mai 2020 dauert bis zum 8. Juli 2020. Der Kurs findet jeweils mittwochs von 18.30 bis 21.00 Uhr am Klaus-Grawe-Institut sowie an einem Samstagnachmittag statt. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt, aktuell gibt es noch 4 freie Plätze. Kontaktaufnahme: abender@ifpt.ch. Mehr Informationen:

Im Namen des gesamten Teams vom Klaus-Grawe-Institut wünschen wir Ihnen alles Gute in dieser belastenden Zeit: Gute Gesundheit, viel Verbundenheit, Gelassenheit und dass Sie Ihren Humor und Optimismus beibehalten können!

Angeleitete Übungen im Umgang mit schwierigen Gefühlen

www.christinebraehler.com/de/meditationen/ (Deutsch und Englisch)

Literatur:

  • Greenberg, Leslie, S. (2006). Emotionsfokussierte Therapie. Lernen, mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Tübingen: dgvt-Verlag.
  • Neff, K. & Germer, C. (2019). Selbstmitgefühl – Das Übungsbuch: Ein bewährter Weg zu Selbstakzeptanz, innerer Stärke und Freundschaft mit sich selbst. Freiburg: Arbor Verlag.
  • Zessin, U., Dickhäuser, O., & Garbade, S. (2015). The Relationship Between Self-Compassion and Well-Being: A Meta-Analysis. Applied Psychology: Health and Well-Being, 7(3), 340-364.

Lic. phil. Andrea Bender